Die Verklärung des Analogen (IMHO)

Christian Leeser/ Juni 29, 2018/ IMHO, Technik/ 0Kommentare

Bei der Recherche zu meinem letzten Artikel habe ich diese Art von Artikel massenweise vorgefunden. Irgendwie schießen diese Ratschläge wie Pilze aus dem Boden: man lebt besser analog. (vgl. [4], [5])

Ich frage mich, welchen Mehrwert diese romantisierte Darstellung hat, denn wie weit sollte man in die Zeit zurück reisen, um angemessen analog zu leben. Überspringen wir den Buchdruck und gehen direkt zur Steintafel über? Oder starten wir mehrere Aufrufe:
  • Eine Taube für jeden Haushalt, damit man sich ohne Telefon austauschen kann.
  • Und das elektrische Licht stört sowieso, da ein Kerzenschein viel schöner ist.
  • Lasst das Auto stehen und geht zu Fuß zur Arbeit.
  • Lasst den Ofen aus und werft den Grill an.
Diese Vorstellungen lassen sich beliebig fortsetzen, helfen aber nicht weiter. Ebenso sind Ratschläge nicht sinnvoll, die das Eintrittsalter bei Kindern für den Medienkonsum angeben (vgl. [2], [6]), denn es gibt keine wissenschaftliche Basis für diese Angaben. Zwar werden gerne Studien herangezogen (vgl. [1]), doch erweisen sich die daraus angegebene Zitate meist aus dem Kontext gerissen (wie unter [1] die Darstellung der Studie [3], denn zwei Zitate aus 150 Seiten ergeben noch keine Schlussfolgerung. Insbesondere zogen die Autoren von [1] nicht in Betracht, dass die Autoren von [6] selbst Einschränkungen für ihre Studie angeben (vgl. [6], S. 106)) oder falsch wiedergegeben werden. In diesen kritischen Meldungen bezieht man sich nicht auf den gemeinsamen Nenner der Studien, dass Kinder nicht unbegleitet die Medien nutzen sollten. Es scheint, dass dieses Argument nicht für reißerische Schlagzeilen reicht, wie sie gerne Spitzer oder Lankau verwenden.
Andere „gute Hinweise“ aus Fortbildungen bringen nur scheinbaren Nutzen. Beispielsweise wird geraten, sich von einem analogen Wecker mal wecken zu lassen oder mal wieder eine analoge Uhr zu tragen. Ich frage mich, warum sollte ich dies tun. Ich mag diesen analogen Kram nicht. Und welcher Nutzen soll dahinterstehen? Wie soll dies dazu beitragen, mich auf mein Selbst zu besinnen?
Wir leben in einer digitalen Welt. Ich kenne die Stärken und Schwächen dieser Welt. Es wäre aber falsch zu glauben, dass das analoge Leben besser ist. Dieses hatte ebenfalls Stärken und Schwächen. Es gibt keine romantische Seite des analogen Daseins.
Quellen
[1] http://www.aufwach-s-en.de/2017/06/ob_kmk_irrweg-der-bildungspolitik/
[2] http://www.badische-zeitung.de/weil-am-rhein/sollten-kleine-kinder-schon-am-laptop-sitzen–153945150.html
[3] https://www.ew.uni-hamburg.de/einrichtungen/ew1/medienpaedagogik-aesthetische-bildung/medienpaedagogik/dokumente/byod-bericht-final.pdf
[4] https://www.huffingtonpost.de/entry/eltern-smartphonekonsum-kinder_de_5ae963e0e4b00f70f0ed4537
[5] https://sozpaed99.blogspot.com/2018/06/wieder-so-eine-studie-mit-einem.html
[6] http://www.aufwach-s-en.de/2018/03/petition-eliant-und-buendnis-fuer-humane-bildung/#more-1085
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