Selbstüberraschung

Christian Leeser/ Februar 10, 2020/ Allgemein, Technik, Unterricht/ 0Kommentare

Zurzeit habe ich zwei einhalb Artikel in der Pipeline, die meine klassischen Themen behandeln würden.

Der eine Beitrag würde sich mit meinem Hang, digitalen Unterricht zu gestalten, befassen. Dabei hätte ich meine Fortschritte diesbezüglich beschrieben. Ich gebe zu, dass dieser Artikel seit den Herbstferien bei mir verweilt und nicht fertig wird, da ich darin neben meinem Frust ebenfalls meine Motivation in Bezug auf die Digitalisierung beschrieben hätte. Beides keine einfachen Felder.
Ein anderer Beitrag würde unverblümt meine Affinität zu sogenannten Skinner-Apps darlegen. In diesem würde ich erklären, dass ich in keine der von Krommer genannten Kategorien passe, (vgl. [7]) in die er meine Spezies und mich gewollt oder ungewollt stecken wollen würde.
Das Problem bei beiden Artikeln wäre ihre absehbaren Inhalte und Handlungen gewesen und vermutlich aus dem Grund sind beide annähernd nicht fertig. Zwischenzeitlich spielte ich mit dem Gedanken irgendeine App für den Unterricht vorzustellen, doch dies wäre nur ein Artikel unter vielen und wieder hätte ich mich vor der Skinner-App-Keule bücken müssen.

Man kann sagen, dass sich seit meinem letzten Artikel sowas wie eine Schaffenskrise hinsichtlich meines Blogs hatte. Obwohl Ideen für Artikel hätte ich ausreichend gehabt, besonders da ich meine Unterrichtsgestaltung weitere Formen annahm, so dass ich behaupten kann, meinen persönlichen Stil vermutlich endlich gefunden zu haben. Die Frage wäre, wen interessiert dies. Selbst ich bin mir nicht sicher, ob dies wirklich mein persönlicher Stil ist.

Wenn ich ein „Formtief“ wie dieses habe, gehe ich gelegentlich ganz primitiv analog im Wald spazieren. Da kommen meine dörflichen Wurzeln zum Tragen. Als Kind und Jugendlicher verweilte ich gefühlt fünfundzwanzig Stunden am Tag im Wald. Aber dies wäre eine andere Geschichte. Während meiner Gänge durch den Wald pflege ich meine Gedanken schweifen zu lassen, um sie dann ordnen zu können. Bei diesem Spaziergang kreisten um die unfertigen Artikeln. Dabei versuchte ich, meine Ideen bezüglich meines kommenden Unterrichtes und des allgemeinen Weltgeschehens zu sortieren.

Und beim Versuch in der Phase meines internen Brainstormings meine Überlegungen in Ordnung zu bringen, traf es mich wie ein Blitz. Fernab meiner üblichen Themen hatte sich in den letzten Monaten eine kleine Sensation entwickelt, die beinahe an mir spurlos vorbeigegangen wäre. Sie war vermutlich zu persönlich.

Ohne es zu bemerken, überwand ich für mich in den letzten Tagen einen fundamentalen Religionskrieg, den ich wiederum unbemerkt mit mir ausgefochten hatte: Apple versus Microsoft.

Um dies zu verstehen, muss ich etwas ausholen. Seit ich zum ersten Mal mit einem Computer in Berührung kam, habe ich nahezu alle bekannten OS durchgenommen. Von Geos (vgl. [3]) über Windows 3.11 bis hinzu Linux in den verschiedensten Formen und Farben hatte ich sie alle durch. (vgl. [1]; [2]) Mal aus Frust oder aus Neugier, selten aus einer Notwendigkeit heraus, arbeitete ich mit diesen Betriebssystemen. Den heiligen Gral fand ich nie. (vgl. [6]) Dennoch war ich für jedes OS offen. Fast jedes.

Vernachlässigt hatte ich dabei macOS. Meine einzige ernsthafte Berührung war in Form des ipod Touch Gen 1. Damals nervte mich nach kurzer Zeit die enge Anbindung an die Apple-Welt. Alles ging mit Apple, aber kaum etwas ohne. Meine Abneigung bekräftigten meine Kontakte mit Apple-Jünger, die mich vehement überzeugen wollten, dass Apple das einzige Heil darstelle. Diese Gruppe nervte mich. Ganz schlimm empfand ich die konvertierten Jünger, die von Windows zu Apple gewechselt waren.

Aufgrund dieser Erfahrungen entwickelte ich im Laufe der Zeit eine nahezu fanatische Ablehnung gegenüber dem angebissenen Apfel. Bei jeder negativen Nachricht und Äußerung zu Apple fing ich an, innerliche Freudentänze zu vollbringen. In den Jahren als Microsoft seine eigenen Smartphones entwickelte, erfuhr ich meine Blütezeit dieser Haltung. Und wenn Microsoft sich innovativer als Apple zeigte, triumphierte ich förmlich. Und klar war für mich, dass ich ein Surface Tablet mein Eigen nennen wollte.
Mit der Zeit erwuchs in mir eine Haltung, die ich bei den Apple- und Linux-Jünger verabscheute. Eine religiöse Verehrung des eigenen Betriebssystems. Dabei kannte ich die negativen Seiten von Microsoft, welches sich insbesondere im Mangel an Marketing und Kommunikation gegenüber dem Kunden zeigte. (vgl. [4]; [5]) Dies hatte mich selbst nicht nur ein Mal getroffen (beispielsweise in Form von Lumia 625 oder Docs.com). Dennoch steigerte ich mich in diese Sache hinein, sobald Apple zur Sprache kam. Wobei ich in meiner Betrachtung fair sein konnte. Dies bewies ich in der Betrachtung von Linux. Mehrfach startete ich ein Versuch, es in meinen Alltag zu integrieren. Leider scheiterte ich jedes Mal kläglich, aber ich gab nicht direkt auf. Apple gegenüber zeigte ich dieses „Entgegenkommen“ nicht.

Im November letzten Jahres kam es zu einer heftigen Diskussion zwischen meinem Kollegen und mir, bei der Frage, mit welcher Hardware wir unsere Schule auszustatten gedenken. Dabei verteidigte ich, mit allem, was ich aufzubieten hatte, die Welt von Microsoft. In dem Wortgefecht bemerkte ich in der Rückblende, wie emotional meine Argumentation verlief, ähnlich die einem Apple-Jünger. Ich fühlte mich ertappt.

Daraus wurde meine persönliche Challenge geboren. Ich lieh mir einen alten iMac mit dem neuesten macOS aus, um mir selbst zu beweisen, dass Apple nichts für mich ist. Vor dieser Challenge gab es von meiner Seite einen halbherzigen Versuch auf Apple zuzugehen, als ich für kurze Zeit ein MacBook nutzen durfte. Doch alleine die Tatsache, dass der Akku zu heiß wurde, um diesen ohne Unterlage auf dem Schoss zu haben, bestätigte meine Abneigung. Überzeugt war ich nicht. Dennoch gebe ich zu, dass ich dabei unfair war, denn ich versuchte alle Microsoft Produkte auf dem MacBook wie auf einem PC zu nutzen, ohne einen Blick auf die Apple Produkte zu werfen oder mich gezielt auf die macOS-spezifische Bedienung (u.a. Short-Cuts) einzulassen. Mit dem iMac setzte ich andere Maßstäbe, denn diesmal wollte ich alle Appel-Produkte ausprobieren, die mir der Rechner anzubieten hatte.
Von meiner Zeit mit dem ipod Touch besaß ich eine Apple-ID, die ich damit reaktivierte. Ich richtete mir „Mail“ ein, erstellte Dokumente mit dem Office-Paket von Apple, nur OneDrive und MS Office fanden ihren Weg auf dem Desktop. Zu Beginn meiner Nutzung war ich geneigt, alternativen zu installieren. Beispielsweise nervte mich das Vorschau-Programm bei PDFs, denn ich wusste nicht, wie man eine Kopie speicherte. Zunächst irritierte mich die Menüführung, bis ich mich vom „Windows-Schema“ verabschiedete. Danach war ich begeistert von der simplen Bedienung.

Meine Erfahrung aus der Windows-Welt sagte mir, dass man für alles ein Programm benötigte, bis ich bei Apple positiv feststellte, dass beispielsweise Screenshots ohne Programm erstellt werden, aber dennoch wie in einem bearbeitet werden können.

Dennoch bleiben Aspekte, die ich unter Windows besser gelöst finde. Dazu zählt in erster Linie der Dateimanager. Der Finder scheint seit Jahrzehnten nicht weiter entwickelt worden zu sein. Dagegen steht der Windows-Explorer, der mit jedem Funktionsupdate kleinere Änderungen erfährt. Ich weiß, dass dies übertrieben ist, dennoch habe ich dieses Gefühl. Diese Pflege des Windows-Explorers äußert sich in der besseren Bedienbarkeit, zumindest nach meiner Ansicht.
Eine andere Funktion, die ich etwas nervig finde, ist das Beenden von Programmen. Bei Windows genügt das Drücken auf dem roten Kreuz in der rechten oberen Ecke des Fensters. Bei macOS muss ich in das Programmmenü, um dieses zu beenden. Ich weiß, dass es eine Tastenkombination gibt, um das Programm zu beenden. Es erschließt sich mir nicht, dass man diese Möglichkeit nicht für die Bedienung mit der Maus vorgesehen hat.
Nach wie vor bin ich skeptisch gegenüber des Sicherheitskonzeptes, denn die Anzahl der Viren und Angriffe auf macOS steigen. Apple scheint wenig dagegen zu machen, sondern vertraut auf das bisherige Sicherheitskonzept und sein Marketing. Vor Windows 10 war Apple fortschrittlicher diesbezüglich, mittlerweile bin ich der Auffassung, dass Microsoft an der Stelle weiter ist. Apple scheint an der Stelle stehen geblieben zu sein. Vielmehr fühle ich mich von Apple beispielsweise durch die ständige Passwort-Eingabe in diesem Bezug gegängelt. Bedenkt man, dass die Produkte sich an die Consumer richten, die einen Rechner nutzen und nicht verstehen wollen, dann könnte man diese Gängelung ebenso als Service verstehen, wenn dies in der Regel nicht zur „Abstumpfung“ führen würde.
Und zu guter Letzt finde ich das „Springen“ zwischen den Programmen bei Windows besser gelöst, da mir alle Fenster angezeigt werden.

Insgesamt betrachtet, gebe ich zu, dass trotz der aufgezählten Mängel, insbesondere das Bedienkonzept von Apple mich überzeugt. Der Schwerpunkt auf das Design in Software und Hardware merkt man. Am Anfang stellte ich mir zwar öfters die Frage „Was wollte der Designer mir damit sagen?“, da ich das Konzept zunächst nicht verstand, doch nach kürzerer Zeit ging mir dann ein Licht auf. Ein Beispiel ist das oben erwähnte Speichern unter dem Programm „Vorschau“. Als ich es dann verstanden hatte, erlebte ich einen Wow-Effekt. Beim Programm „Vorschau“ erstaunte mich die Einfachheit der Lösung, wie man etwas speichern kann.

Mein Fehler bei diesem Projekt war es, dass ich mir kein Zeitfenster gesetzt habe. Im Grunde wäre zum jetzigen Zeitpunkt meine Challenge abgeschlossen, aber ich stehe vor dem Problem, dass ich mich an den iMac gewöhnt und alles eingerichtet habe. Keine Ahnung wie ich weiter verfahren werde.

Mit einer Sache schließe ich auch ohne absehbares Ende meiner Battle ab. Das Projekt half mir, meinen Religionskrieg mit den Betriebssystemen zu beizulegen.

Und zum Schluss eine kleine Anekdote. Unter Windows nutzte ich selten das Teilen von Fenstern, d.h. das Anordnen von zwei Fenstern nebeneinander. Lieber arbeitete ich mit den Tasten „Alt-Tab“. Da unter macOS diese Funktion meiner Meinung nach unzufriedener gelöst ist, verwendete ich vermehrt die Möglichkeit, Fenster zu teilen. Ich erlebte eine Rückbesinnung auf diese Funktion. Ich übertrug meine Erfahrung auf meinen Windows-Rechner.

Fazit auf den Unterricht
Einen Religionskrieg sehe ich ebenso in der Pädagogik. Bei manchen Personen meiner Zunft ärgere ich mich, wenn Methoden kategorisch abgelehnt werden. In den wenigsten Fällen werden diese aufgrund von eigenen Erfahrungen oder einer detaillierten Analyse verneint, sondern diese Meinungen entstehen aufgrund von hypothetischen Annahmen und teilweise aus ebendieser religiösen Sichtweise, die ich beispielsweise in Bezug auf Apple hatte.

Ich schlage allen Pädagoginnen und Pädagogen vor, die eine Methode zutiefst ablehnen, diese konsequent anzuwenden, um die eigene Abneigung zu hinterfragen. Mir half es in Bezug auf Apple.

Und ich verweigere mich nicht gegen Nicht-Skinner-Apps. Ich arbeite intensiv daran, diese in meinen Unterricht zu integrieren. Alleiniges Heil vermachen sie dennoch nicht zu vollbringen.

Verweise
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