Gruppenarbeit ist nicht gleich Gruppenarbeit

Christian Leeser/ Juli 11, 2016/ Mathematik, Religion, Unterricht/ 0Kommentare

Vorgeschichte

Während meines Studiums und meines Referendariats galt die Gruppenarbeit als das Nonplusultra, um den Unterricht didaktisch zu füllen. Mit der Zeit lernten wir die verschiedensten Formen von Gruppenarbeiten kennen. Von der Partnerarbeit bis zum Kugellager lernten wir alles kennen. Doch trotz dieser verschiedenen Formen hatten alle diese Ausprägungen die Gemeinsamkeit, dass diese für eine Stunde – maximal zwei Stunden – Schülerinnen und Schüler lose zusammenführten, um bestimmte oder unbestimmte Arbeitsaufträge zu erfüllen.

Zwar lernten wir, wie man die Formen anwendet und die Gruppen zusammenführt, aber den „tieferen Sinn“ dahinter bekamen wir nicht vermittelt. Dennoch führten man diese in den Unterrichtsbesuchen durch, weil es bei den Ausbildern gut ankam. Für mich erschloss sich der Nutzen dieser Form gegenüber des klassischen „Frontalunterrichtes“ nicht.

Ich kann nicht mehr genau sagen, zu welchem Anlass ich die Gruppenarbeit näher beleuchtete, doch ab dem Zeitpunkt erkannte ich den Sinn und Zweck dieser didaktischen Form. Außerdem bemerkte ich die fehlerhaften Darbietungen während meiner Ausbildung.

Was Gruppenarbeit ist

Es folgt kein übermäßiger Aufsatz, was Gruppenarbeit ist. Da fand ich im Netz passende Ausführungen bei der Uni Köln (Methodenbox von K. Reich). Dennoch führe ich eine Zusammenfassung auf, damit meine Erklärung zu meiner Umsetzung im Unterricht verständlich wird.

Meine erste Erkenntnis war, dass Gruppenarbeit unter dem Namen „kooperatives Lernen“ firmiert. Weil der Begriff kürzer und gängiger ist, verwende ich synonym dafür „Gruppenarbeit“. Recherchiert man unter dieser Bezeichnung und fasst die Informationen zusammen, dann ergibt sich ein Bild von Gruppenarbeit, das sich nicht mit der landläufigen Bildungsmeinung deckt. Sehr auffällig ist, dass diese Umsetzung hinsichtlich der Vor- und Nachbereitung anspruchsvoller sein kann, als bei einer „normalen“ Vor- und Nachbereitung. Vielmehr sind verschiedene Phasen zu beachten, die eine einfache Unterscheidung zwischen Vor- und Nachbereitung nicht ermöglicht. In diesem Zusammenhang verwundert nicht, dass die „richtige“ Ausführung einer Gruppenarbeit mehr Zeit beansprucht, als die ein bis zwei Schulstunden.
Entsprechend breit gefächert zeigt sich die Bewertung von solchen Gruppenarbeiten. Bei der Bewertung unterscheidet man zwischen der Gruppen- und der Einzelbewertung. Die Einzelbewertung hat einen besonderen Stellenwert. Mit dieser soll neben der Leistungserfassung dem Vorurteil entgegengewirkt werden, dass sich manche Schülerinnen und Schüler mithilfe der TEAM-Methode (Toll ein anderer macht’s) „durchmogeln“. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten die Kriterien für die Gruppen- und Einzelbewertung zuvor geklärt werden.

Ganz so streng möchte ich mit der Lehrerausbildung nicht sein, denn zwei Kriterien für die Gruppenarbeit vermittelte man uns: die Gruppengröße sollte zwischen 3 und 6 Personen liegen und die Gruppen sollten möglichst heterogen zusammengesetzt sein.

Nun zur Praxis

Es benötigte einige Anläufe und Versuche bis ich eine Gruppenarbeit ausführen konnte, die diesen Namen verdient. In erster Linie führe ich Gruppenarbeit im Rahmen von Referaten bzw. Präsentationen durch. Zur näheren Beschreibung beziehe ich mich auf die Phasen, die sich im Dokument von Reich finden.

Vorbereitungsphase (eine Schulstunde)

Bevor die Schülerinnen und Schüler in die Gruppen eingeteilt werden, stelle ich das Thema mit den Unterthemen vor. Diese Vorstellung passe ich den Lerngruppen an. So führe ich das Thema je nach Klasse in einer Präsentation vor, damit die Schülerinnen und Schüler nicht nur die Unterthemen mit den Fragestellungen erfahren, sondern eine Orientierung erhalten, welche Kriterien ich an einer Präsentation stelle. Oder ich gebe Quellen an einer zentralen Stelle vor, so dass die Gruppen ein „Gefühl“ für die Recherche und das Lesen erhalten. Doch gleichgültig welche Form ich verwende, ich gebe grundsätzlich die Unterthemen und passende Fragestellungen vor, damit die Referatsgruppen klare Rahmenbedingungen haben.

Nach der Vorstellung teilen sich die Schülerinnen und Schüler selbst in Gruppen ein oder ich nehme die Einteilung vor. In beiden Fällen gebe ich die Gruppengröße vor, die abhängig von der jeweiligen Anzahl der Unterthemen und Anzahl der Schülerinnen und Schüler ist. Jeder Gruppe wird ein Unterthema zugeordnet. Die Themenvergabe wird im Klassenverband vorgenommen. Die Gruppen dürfen sich das Unterthema wählen. Wenn mehrere Gruppen dasselbe Unterthema wählen, wird ausgelost. Das Ergebnis der Vergabe trage ich in eine Übersicht ein, die im Klassenraum gehängt wird.

Die Übersicht beschreibt ebenso die Bewertung der Gruppenarbeit, die in dieser Phase vorgestellt wird. Dieses beinhaltet neben den Kriterien (Gestaltung, Inhalt, Gliederung, Auftreten) ebenfalls wie die Gesamtbewertung vorgenommen wird, denn am Ende der Präsentationen steht die Leistungskontrolle, damit ich neben der Gruppenbewertung eine Einzelbewertung vorliegen habe. Diese Unterscheidung betone ich, indem ich den Schülerinnen und Schülern erläutere, dass ich die Referatsgruppen als Einheit verstehe. Dies bedeutet, dass jedes Gruppenmitglied in gleicherweise den Inhalt beherrschen muss. In der Regel teilen sich die Schülerinnen und Schüler den Inhalt auf. Dies hat den Nachteil, dass ein kompletter Termin verschoben werden muss, wenn nur ein Mitglied beispielsweise wegen Krankheit ausfällt. Wenn alle Mitglieder die Aufgaben der anderen übernehmen können, entfällt dieses Problem.
Für die Einzelbewertung sollen die Gruppen in der Regel Handreichungen ausgeben, denn neben dem eigenen Unterthema frage ich den Inhalt eines anderen beliebigen Unterthemas ab.

Je nachdem welche Unterthemen ich vorgebe, teile ich die Termine für die Referate mit oder verlagere dies in die Durchführungsphase.

Durchführungsphase (vier bis sechs Schulstunden)

Während dieser Phase erhalten die Gruppen die Gelegenheit, ihr Unterthema vorzubereiten. Hinsichtlich der Gestaltung gebe ich jede Freiheit, d.h. von Plakat bis hin zu PowerPoint sind alle Mittel und Materialien erlaubt.

Die inhaltliche Aufbereitung bzw. die Recherche können auch online vorgenommen werden. Daher reserviere ich in dieser Zeit das mobile Klassenzimmer (bestehend aus Notebooks), damit die Gruppen nicht ihre Geräte nutzen müssen. In Ausnahmefällen lasse ich dies ebenfalls zu.

Ich lege in dieser Phase darauf Wert, dass die Gruppen diese Zeit nutzen, so dass ich den Gruppen hinsichtlich ihrer Arbeit unterstützend zur Seite stehe. Gerade diese Aufgabe der Lehrkraft ist herausfordernd:

  • manche Gruppen haben das Gefühl, nichts zu ihrem Thema zu finden. Als Lehrkraft gilt es die Gradwanderung zu beherrschen, ihnen dieses Gefühl zu nehmen, ohne der Gruppe die Selbsterarbeitung zu nehmen. Man sollte nicht selbst zum Teil dieser Gruppe werden.
  • manche Gruppen haben sich sehr gut organisiert, so dass viele Aufgaben außerhalb der Schulstunden zu erledigen sind. Während der Schulstunden bleiben dann wenige Aufgaben übrig. Als Lehrkraft muss man zusammen mit der Gruppe die Aufgabe durchgehen und sinnvolle Aufgaben für die Schulstunde finden.
  • in dieser Phase ist man viel in Bewegung und besucht die einzelnen Gruppen.

Präsentationsphase (maximal fünf Schulstunden)

In dieser Phase können mindestens zwei Gruppen an einem Termin vortragen. Dieses Vortragen beinhaltet neben dem Referat ebenso die Rückmeldung durch die anderen Schülerinnen und Schüler und der Lehrkraft. In dieser Phase vergebe ich keine konkrete Note für die Präsentation. Dies erfolgt immer nach dieser Phase, da ich die Ergebnisse im Zusammenhang betrachte.

Auswertungsphase (zwei Schulstunden)

Die Auswertungsphase beinhaltet die Lernkontrolle und die konkrete Bewertung der Referate. Aus beiden Notengebungen bestimme ich dann die Gesamtnote. Bewusst sind beide Notengebungen gleich gewichtet, da ich damit klarstelle, dass die Einzelleistung innerhalb der Gruppe von Bedeutung ist.

Bei der Leistungskontrolle gewichte ich die Abfrage zum eigenen Thema mehr, als zum anderen Thema, da ich die Handouts als Grundlage für das andere Thema zulasse.

Bei den Referaten bilden die Kriterien die Basis für eine Beurteilung. Nach den Referaten gebe ich den Gruppen zu diesen Kriterien eine Rückmeldung.

Fazit

Es war ein langer Weg bis zu diesem Konzept. Mittlerweile zeigt sich, dass eine Gruppenarbeit nicht weniger Aufwand benötigt, als eine „normale“ Umsetzung. In den Bezug auf meine Fächer musste ich feststellen, dass aufgrund des Aufwandes das Fach „Katholische Religion“ besser geeignet zu sein scheint als das Fach „Mathematik“. Dies liegt u.a. am „Zeitdruck“, den man im Fach „Mathematik“ verspürt. Dass es grundsätzlich möglich wäre, zeigt mein Versuch in diesem Halbjahr. Es wäre ein persönliches Projekt, dieses Konzept vermehrt auf mein anderes Fach zu übertragen.

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